Bächlingen, evangelische Johanneskirche

Disposition

“Neue Orgel in der Bächlinger Johanneskirche löst ein jahrhundertealtes Problem” berichtet am 21. März 2013 das Hohenloher Tagblatt. Und in der Tat: Die Orgelgeschichte beginnt schon im Jahr 1774 recht holperig. Die neue Gessinger-Orgel, mit dem Hohenlohischen Fußmaß gemessen, dann aber mit dem Rothenburgischen gebaut, passt nicht an den vorgesehenen Ort. Der Ärger war da, eine zusätzliche Orgelempore musste errichtet werden. Meister Gessinger erschien dann nicht einmal zur Einweihung, schickte “nur” seinen Gesellen…

Im 18. Jahrhundert hatte Bächlingen gut dreimal mehr Einwohner als heute, der Platz in der Kirche war knapp und die Orgel im Weg. Also wurde sie in den Chor versetzt. An die seit der Reformation verdeckte Fresken dachte man dabei freilich nicht. Das änderte sich 1914. Das Architekturbüro Dolmetsch aus Stuttgart wurde mit der Renovierung und Umgestaltung der Kirche beauftragt, in diesem Zuge kamen die Chorbilder aus dem 14. Jahrhundert zu Tage: wieder einmal war die Orgel im Weg. Das Instrument selbst verblieb aber im Chor, wurde unter Verwendung alter Gehäuseteile neu gebaut, pneumatisch angesteuert und auf zwei Manuale erweitert.

1981 baute Orgelbaufirma Koch aus Feuchtwangen eine neue, mechanische Orgel in das abermals vergrößerte Gehäuse; keine zufriedenstellende Lösung in Anbetracht der immer bekannter werdenden Chorbilder.

2006 wird dann eine grundlegende Restaurierung der durch Ablösungen akut gefährdeten Fresken unumgänglich. Die Orgel wird aus- und ein zweistöckiges Gerüst eingebaut, und der Chorraum für zwei Jahre durch eine Wand vom Kirchenraum getrennt.

Kontrovers wird in der Folge über die Zukunft der Orgel diskutiert. Kann der Chor künftig leer bleiben, “Freiraum” sein? Am Ende stand die Vision: Er könnte.

Der betreuende Orgelsachverständige KMD Burkhart Goethe warb für ein kleineres, wieder an historische Vorbilder angelehntes Orgelkonzept, ggf. mit einem statt zwei Manualen. Als Standort blieb, nach strikten Vorgaben des Denkmalamtes, außerhalb des Chores nur der eingeschränkte Platz unter der zu erhaltenden Seitenempore. Für die neue Orgel kam deswegen ein Typus in Betracht, der sowohl charakteristisch für die Region, als auch platzsparend in der Realisierung sein könnte.

Die Koch-Orgel mit dem teils noch historischen Prospekt wurde nach Leukershausen verkauft, wo sie sich nach einer Überarbeitung durch meinen Kollegen Orgelbaumeister Michael Mauch räumlich und klanglich bestens einfügt.

Unter diesen Vorzeichen ging man nun an die Ausschreibung für ein gänzlich neues Orgelwerk.

2010 bekam meine Firma den Zuschlag. Der Entwurf fand Zustimmung in seiner Gestalt und Größe am sensiblen Platz im Kirchenschiff. Bei einem großen Lokaltermin in der Kirche konnte ich den Kirchengemeinderat von der Idee überzeugen, zwei Bänke auf der Empore über der Orgel aufzugeben, um dort einige große Teile der Orgel auslagern zu können, von unten unsichtbar. Die Idee wurde begrüßt, und mit der kommunikativen Hilfe von Burkhart Goethe stimmte auch das Denkmalamt bald darauf zu. Die sichtbare Orgel wurde so noch etwas filigraner, wesentliche Teile konnten dennoch kompromisslos dimensioniert werden. So liegen jetzt, verborgen hinter der Brüstung, das Gebläse mit großem Keilbalg (für die Qualität einer historischen Windversorgung), und die großen hölzernen Oktaven von Subbaß und Violdigamb auf der Empore.

Die konzeptionelle Ausrichtung an historischen Vorbildern endet in Bächlingen nicht mit dem Keilbalg und der Disposition. Nach Unterlagen von Burkhart Goethe wurden für alle Pfeifen alte Mensuren gewählt (Metzlerorgeln in Altenberg und Schwäbisch Hall), in grafisch erstellten Mensurdreiecken ausgearbeitet und vom Pfeifenmacher so angefertigt (Franco Sinistra aus Überlingen). Weitere stiltypische Zutaten sind die verkürzten Vorderblätter der Manualtasten, das Parallelpedal und Besonderheiten wie der Kanaltremulant und ein Zimbelstern mit gegossenen Bronzeglöckchen. Eine Seltenheit ist auch die gewählte Mixturzusammenstellung, die im Bass einen hohen Terzchor führt, und so dem Plenum und Pedalspiel eine leichte Zungen-Färbung verleiht.

Für einen Stuttgarter hat das Jagsttal schon etwas märchenhaftes, und gerade Langenburg und Bächlingen sind mir seit Langem ans Herz gewachsen. Es war eine große Freude, diese besondere Orgel mit meinen Kolleginnen und Kollegen bauen zu dürfen. Dankbar bin ich auch Burkhart Goethe für die wegweisende Konzeption, die allen Überlegungen zu Grunde lag. Dem gesamten Kirchengemeinderat danke ich für das geschenkte Vertrauen, insbesondere aber Marianne Mühlenstedt, die alle Arbeiten vor Ort konstruktiv begleitet und über weite Strecken koordiniert hat. Ihnen allen nochmals: Herzlichen Dank!

An der Orgel haben mitgearbeitet:

  • Carmen Bürkert: Beschriftung der Registerschilder
  • Stephanie Drenseck: Keilbalg und kleine Holzpfeifen
  • Dietmar Grether: große Holzpfeifen
  • Burkhart Goethe: Mensuren, Konzeption, Entwurf des Zimbelstern
  • Janna Goethe: Fassung und Ornament der Mittelkonsole, Vergoldung des Zimbelstern
  • Friedrich Hornung: Aufdoppelung der Empore und Abschrankung zum Orgelbereich
  • Michael und Silas Mauch: Orgelgehäuse und Orgelbank
  • Franco Sinistra: Metallpfeifen
  • Thomas von Wolffersdorff: Manualklaviatur
  • Tilman Trefz: Konzeption, Gehäusentwurf, Konstruktion, Intonation, Windanlage, Windlade, Tontraktur, Registermechanik, Notenpult, Pedalklaviatur und Zimbelstern